EFT

 

Ein wenig Geschichte
Die Geschichte von EFT (Emotional Freedom Techniques) fängt mit der Arbeit von Georges Goodheart, einem amerikanischen Chiropraktiker an, der sie 1964 als “Applied Kinesiology” (Angewandte Kinesiologie oder AK) präsentierte. Die Kinesiologie selber basierte auf dem  „Muskeltest„, der zuerst vom Paar Kendall und dann von dem Chirurgen  R.W.Lovett in den 30-er Jahren entwickelt wurde. Goodheart kombinierte östliche mit westlicher Medizin. Er dachte, dass man die Störungen der körperlichen Energie – und diverse Krankheiten – mit Hilfe dieses Testes feststellen könne. Als er 1962 die Akupunktur entdeckte, übernahm er das Schema der Meridiane, ersetzte aber die Nadeln durch das Klopfen mit den Fingerspitzen. Aus der Angewandten Kinesiologie entstand die populäre Methode „Touch for Health“ von John Thie.

John Diamond, ein Psychiater aus Australien, kreierte 1970 die “Behavioral Kinesiology”. In seinem Buch “Life Energy” (1985) beschreibt er, wie die Körperorgane spezifisch mit bestimmten Gefühlen verbunden sind (Magen mit Angst, Gallenblase mit Bitterkeit, usw.). Er kombinierte „positive Affirmationen“ mit dem Klopfen der Region des Thymus. Aus dieser Entwicklung entstanden die MBT (Meridian Based Therapies) .

Anfang der 80-er Jahre machte der amerikanische Psychologe Roger Callahan eine sensationelle Entdeckung. Er hatte seit Monaten vergebens versucht, seine Patientin Mary von einer schweren Wasserphobie zu befreien. Als er sie eines Tages im Zusammenhang mit ihrer Angst bat, den Magenpunkt, direkt unter den Augen zu klopfen, verschwand die Angst sofort und für immer. Später behandelte Callahan Hunderte von anderen Patienten mit Erfolg. Er fand verschiedene „Algorithmen“ oder Kombinationen von Punkten, um spezifische seelische Probleme zu behandeln. Seine Methode, TFT oder „Thought Field Therapy“ (Gedankenfeld-Therapie), unterrichtete er für teures Geld an ausgewählte Schüler.

Gary Graig, ein Schüler von Callahan, Ingenieur aus Standford und NLP Master, suchte eine Methode, um ein breiteres Publikum zu erreichen. Er wollte vor allem die lange Suche nach den optimalen Punkten umgehen. So entwickelte er eine standardisierte Methode,  EFT (Emotional Freedom Techniques), die keine Kenntnisse in Kinesiologie verlangte. Als er 1995 die Webseite www.emofree.com lancierte, bekam er eine enorme Resonanz. Dazu publizierte er regelmässig einen Newsletter, der hunderttausende von Leser weltweit erreichte. Der elektronische Rundbrief, mit Berichten über Neuigkeiten und Wunderheilungen kreierte eine grosse Online Community. Seine Methode konnte man in Seminaren, aber auch durch DVD und einem frei erhältlichen elektronischen Handbuch leicht erlernen, und dies zu einem sehr vernünftigen Preis. Heute hat sich Gary Craig etwas zurückgezogen. Er ist damit beschäftigt, seine eigene Methode – the Golden EFT Standard – von zahlreichen Imitationen abzuheben.

Meine Erfahrung
Ich muss zugeben: das erste Mal, als ein Patient mir erzählte, dass er sich eine Angst „wegklopfen“ liess, habe ich innerlich gelächelt. Nachdem mir aber eine Kollegin im Juni 2005 eine Demo-Behandlung gegeben hatte, bestellte ich per Internet ein erstes Set der Unterrichts-DVD. Die ersten 2 Monate lag dieses Set unbeachtet auf meinem Regal, bis ich im September 2005, aus Neugier, die erste DVD anschaute. Hier wurde die Behandlung (Einzelsitzung) von posttraumatischem Belastungsstress an einem Kriegsveteranen durch Gary Craig demonstriert. Seltsam! dachte ich und schaute weiter. Bald testete ich die Methode bei einem meiner Patienten mit gutem Ergebnis. Andere sehr gute Resultate folgten. In den weiteren DVD’s merkte ich, dass Cary Craig seine eigene Methode immer wieder vereinfachte. Darum verzichtete ich darauf, das komplizierte alte EFT Protokoll in einem offiziellen Kurs zu lernen. Ich schaute die DVD’s an, las fleissig die Newsletters und vor allem experimentierte ich 10 Jahre lang. Kinesiologie (Muskeltest) war mir seit 1984 bekannt und half mir bei der Kombination von Punkten, die ich für meine Arbeit brauchte. Als ich Gary Craig in 2014 bei einem Kurs in San Francisco arbeiten sah, stellte ich fest, dass wir die gleichen Punkte (1 bis 9) verwenden. Nur der zusätzliche Punkt 10 am Handgelenk kommt in meinem eigenen Protokoll dazu.

Ich schätze die unkomplizierte und sanfte Art dieser Methode sehr, die es einem ermöglicht, sehr schnell an das Problem heranzugehen. Indem der Patient selber klopfen kann, hat er selber mehr Kontrolle. Die Arbeit ist flexibel: man kann ein ganzes Ereignis, ein einzelnes Wort oder eine Affirmation klopfen. Es ist auch möglich, EFT während der Anamnese (David Lake) zu benützen. Während der Patient besonders schwere Ereignisse erzählt, hält der Therapeut die Hand des Patienten und klopft. Durch dieses Setting kann die Belastung sofort abgeschwächt werden. Es vermeidet eine Retraumatisierung bei der Erzählung.

Schliesslich ermöglicht EFT die „psychologische Umkehrung“ (Psychological Reversal), wie Roger Callahan sie in „Leben ohne Angst“ beschreibt, sofort zu korrigieren.

Die Methode heute
Es gibt heutzutage zahlreiche Webseiten und Bücher über diese Methode. Auf Deutsch empfehle ich die Seite www.emofree.ch, auf Englisch www.emofree.com. An dieser Stelle möchte ich die Leser vor der Methode des deutschen Therapeuten Franke (EMT) warnen. Es ist eine Kopie vom EFT unter einem neuen Namen. Ausserdem ist der Umkehrungssatz «obwohl ich, …» eine falsche Übersetzung des Englischen „Even though … „. Es ist sehr wichtig, stattdessen die Formulierung „Auch wenn ich … » zu benützen, die nicht definitiv verurteilend ist.

Behandlung
Nachdem die problematische Situation (Angst, Trauma, … ) definiert wurde, wird die Belastung auf einer Skala von 0 bis 10 bewertet. Wir reden von SUD (subjective units of distress). Nun wird ein kurzer Satz oder ein einfaches Wort als Etikette für das Problem gewählt, z.B. „Unfall“, „Prüfung“, „Ich bin feige“, usw. Interessanterweise kann man diese Benennung während der Sitzung beliebig ändern. Bei jedem Punkt des Sets wird der gewählte Satz laut gesagt und der Patient klopft ca. 15 mal auf den entsprechenden Punkt  ab. Die Behandlung wird solange fortgesetzt, bis die SUD auf 0 fällt. Falls dies nicht erreicht wird, muss man einen neuen Anhaltspunkt suchen. Dabei braucht es manchmal die Kreativität eines erfahrenen Therapeuten. EFT kann auch in Kombination mit Hypnose, NLP, EMDR, Strategischer Therapie und Debriefing eingesetzt werden.

Hier die 10 Punkte, die ich sowohl für EFT als auch für EFT3 Behandlungen anwende (siehe Tutorial):

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Indikationen
EFT ist eine gute Behandlungsmethode bei Psychotraumata (Unfall, Missbrauch, natürliche Katastrophe, usw.), Angststörungen und allgemeinen Selbstwertstörungen. Wie bei anderen Methoden kann ein einfaches Trauma in 1 bis 3 Sitzungen behandelt werden. Wenn mehrere Traumata oder eine komplexe Situation bestehen, werden allerdings viel mehr Sitzungen benötigt. Bei einer dissoziativen Störung (z.B. schwere chronische oder frühkindliche Traumatisierung) ist immer eine lange sorgfältige Vorbereitung zusammen mit einem speziell ausgebildeten Psychotraumatologen notwendig! Handelt es sich um einen Missbrauch oder Gewalt macht eine Behandlung wenig Sinn, solange die Sicherheit des Patienten nicht gewährleistet ist (d.h. wenn es noch Täterkontakt gibt).

Auswahl des Satzes
Im Unterschied zu EMDR (Eyes Movement Desensitization and Reprocessing), kann das Problem auf sehr verschiedene Arten angesprochen werden. Der Satz kann das Problem umschreiben („der Unfall, „mein Verhalten“, „die Umstände“), eine Kognition benennen („(ich bin feige“) oder eine ganze Beschreibung sein („ich war zu schwach, um zu reagieren“). Im Allgemeinen versucht man eher, eine ganz kurze Beschreibung zu wählen.

Psychologische Umkehrung
Wie der Psychologe Callahan erklärte, haben viele Patienten mit chronischen Problemen die Motivation zu heilen etwas verloren. Wenn diese Patienten an ein positives Ziel denken (z.B. „ich bin schlank“, „ich bin gesund“) werden sie gestresst, weil sie Schuldgefühle und Selbsthass empfinden, dass sie es noch nicht geschafft haben. Diese Umkehrung lässt sich gut durch einen Muskeltest (Kinesiologie) überprüfen. Bei dem Satz „ich bin gesund“, wird der Arm schwach, bei dem Satz „ich bin krank“, wird der Arm stark testen – eine Umkehrung der erwarteten Reaktion. Es genügt auf den ersten Punkt mit dem langen Satz „auch wenn ich das Problem x habe, akzeptiere ich mich voll und ganz“ zu klopfen,  danach reagiert der Körper wieder normal. Nun kann man mit dem kurzen Satz auf die Punkte 2 bis 10 weiter klopfen. Um nicht jedes mal testen zu müssen, hat Gary Craig den Akzeptanzsatz in das Standard Protokoll integriert.

Für einige Leute ist es sehr schwierig, das blockierende Problem in der Gegenwart des Therapeuten zu benennen. Sie können diesen Teil der Übung lautlos durchführen. Der Therapeut muss nicht alles wissen. Man kann den Klienten vorsichtig fragen, ob Leute mit diesem Problem X atmen, ins Kino gehen oder z.B. Eis essen dürfen. Meistens fängt er an zu lächeln und ist bereit zu klopfen. Manche haben Angst, dass, wenn sie sich mit diesem Problem akzeptieren, Sie auch das Problem selber akzeptieren und somit kapitulieren. Typischerweise sind dies oft Personen mit einem schlechten Selbstbild (z.B. mit störenden Übergewichtsproblemen oder nach chronischer Vernachlässigung durch die Mutter). Hier wird es einen erfahrenen Therapeuten mit einem kreativen Ansatz brauchen.

Kinesiologie (Muskeltest)
Mit der Methode von Gary Craig, dem Entwickler von EFT, braucht man den Muskeltest nicht. Allerdings ist es relativ einfach, den Muskeltest zu lernen. Er hilft dabei, exakter zu arbeiten. Dies vor allem, wenn man eine psychologische Umkehrung ausschliessen will, was ich persönlich vor jeder Übung systematisch mache.

Zu Hause arbeiten
Nach einigen „Runden“ hat der Patient verstanden, wie das Klopfen funktioniert. Er kann zuerst in Anwesenheit des Therapeuten üben und dann allein zu Hause arbeiten. Es ist unumgänglich, immer wieder den Akzeptanzsatz „auch wenn ich, …“ zu benützen. Ausserdem liegt die Wichtigkeit bei der  Akzeptanz und nicht bei der Benennung des Problems. Manche Patienten schaffen es auf eine masochistische Art, sich selbst mit dem „Klopfen“ stundenlang zu quälen. So ist es nicht gemeint! Klopfen beinhaltet immer eine liebevolle Grundhaltung zu sich selbst, auch wenn man die dunklen Seiten seiner Seele durchleuchtet.

Widerstand
Es ist die Kunst des Therapeuten (oder des Autodidakten) den Widerstand elegant  zu umgehen. Es braucht oft viel Humor und Selbstironie. „Auch wenn ich diese Therapie idiotisch finde, …“, „auch wenn der Therapeut unfähig ist, mir zu helfen, …“, „auch wenn ich keine Lust habe, gesund zu werden, ….“, solche Sätze, die „verschrieben“ werden sind Beispiele der Art, wie Gary Craig und seine Schüler die Probleme angehen.

Vorteile der Methode
EFT bietet viele Vorteile. Als Erstes ist es sehr interessant mit den Selbstakzeptanz-mustern eines Klienten zu arbeiten. Ausserdem ist es hilfreich, über eine Methode zu verfügen, die weder destabilisiert noch „triggert“. Als ich mit EMDR anfing, geschah es mehrmals, dass ein Patient ausklinkte oder Angst bekam, wenn ich ihn mit seinem Trauma konfrontierte. Heute wechsle ich in solchen Situationen zur EFT-Methode, der Klient beruhigt sich und wir können problemlos weitermachen. Allerdings gibt es manchmal Situationen, in denen ich lieber mit EMDR arbeite. Ich entscheide mich meistens intuitiv zwischen den verschiedenen Techniken.

Die Klienten schätzen es, zuhause weiterarbeiten zu können und dass sie mit der Zeit in der Lage sind, in schwierigen Situationen sofort reagieren zu können. Es fördert ihre Autonomie. Ausserdem ist diese Methode sehr leicht zu lernen und ist bei grossen Katastrophen gut anwendbar.

Nachteile der Methode
Die volle wissenschaftliche Validation fehlt noch. Die Erwähnung von Akupressur-Punkten und dem Konzept von Energie kann Leute verunsichern oder irritieren.

Fazit
Probieren und dann entscheiden!

© Dr. med. Marc Muret, Zürich, 2007-2015